Wein – Die Leber wächst mit ihren Aufgaben

Rotwein hält das Herz jung; er schützt vor Herzinfarkt. Eine kleine Notiz in der Zeitung, und am nächsten Tag wussten es alle. Wenn irgendetwas gut ist, dann denkt der Deutsche natürlich, mehr davon ist besser, nach dem Motto «Viel hilft viel». Die Dosis macht bekanntlich das Gift, aber in behobeneren Kreisen kommt man ja vor lauter Dozieren gar nicht auf eine wirksame Dosis.
Bier kann man trinken, weil es einem schmeckt, aber Rotwein -davon muss man etwas «verstehen»! Kein Biertrinker käme auf die Idee, dich in der Kneipe mit Verachtung zu strafen, nur weil du nicht über das Hopfen-Anbaugebiet seines bevorzugten Getränkes zu parlieren weißt. Bier ist Bier. Rotwein ist Religion, Weintrinken eine Wissenschaft für sich, die sogenannte Önologie. Was für ein praktisches Wort! Önologie ist wohl die einzige Wissenschaft, die man auch noch bei drei Promille fehlerfrei auszusprechen vermag. Versuchen Sie das mal mit komparatistischer Kryptologie!
Bevor Sie mich jetzt für den kompletten Banausen halten, möchte ich betonen: Ich hab auch meine bevorzugten Lagen. Im Supermarkt. Regal-Lagen. Ich kauf nie im Weinladen – da müsste ich zugeben, dass ich keine Ahnung habe. Dann dieser psychologische Druck: Für einen kostenlosen Probeschluck wirst du moralisch verpflichtet, den Laden nicht unter drei Stunden und fünf Kisten wieder zu verlassen. Und das Gelaber dazu!
Das Regal widerspricht nicht, es hilft dir wirklich bei der Entscheidung. Alles schön nach Preis sortiert. Ganz oben und ganz unten die Kartons. Oben zum Schutz der Flasche, unten zum Schutz des Trinkers. Wer die Nase oben trägt, fühlt sich mit den Grands Grus auf Augenhöhe, der beschämte Alkoholkranke greift automatisch nach unten. Das nenne ich «Kundenorientierung». Ich selbst liege irgendwo dazwischen, je nachdem, wofür ich den Wein brauche. Zum Mitbringen entscheide ich mich aus dem Bauch heraus – auf Bauchhöhe. Sofern ich den Gastgeber namentlich kenne, sonst auch eine Etage tiefer. Je anonymer die Party,  desto namenloser darf das Etikett ausfallen. Aber immer Stiel bewahren. Man gehört ja nicht  zum gemeinen Tetrapack. Was ich selbst trinken will, wähle ich so  auf Halshöhe. Selbstverständlich belese ich mich vor dem Betrinken. Wo die Weine heute alle herkommen: Amerika, Australien, Abfüllort siehe Laschenprägung. Dass man hierzulande Rotwein aus Südafrika oder Chile dem aus Frankreich vorzieht, ist wohl tiefenpsychologisch die spare Rache der Deutschen für den Vertrag von Versailles. Schlimmer als alles Weineinkaufen ist jedoch, in Nobelrestaurant: Wein zu bestellen. Ich gehe da immer so vor: Beim Blick auf die Karte sehe ich als Erstes nach dem Preis des Weines und schätze dann die Chance ein, ihn richtig auszusprechen. Ich entscheide mich immer für den zweitteuersten – ich bin doch kein Snob. Bei französischen Wertem, deren Etymologie mir nicht so klar ist, stopfe ich im entscheidenden Moment unter dem Vorwand eines Hüsteins einfach die Serviette in den Mund – dann geht’s. Der geübte Sommelier achtet beirr. Weinbestellen des Gastes eh nicht auf dessen Aussprache. Er schau: nur, wo auf der Karte der Zeigefinger zuckt. Ich habe inzwischen raus, wie die Jungs wirklich Respekt vor mir bekommen. Ich lasse jeden dritten Wein kommentarlos zurückgehen. Ein Schluck, und dann sage ich sehr bestimmt: «Ich glaube, dazu muss ich nichts weiter sagen, oder?» Seitdem spuren die. Keine Ahnung. ob der Wein noch gut ist oder nicht. Woher soll ich wissen, wie Kork schmeckt, wenn ich immer Weine mit Schraubverschlüssen kaufe!
Im Wein liegt die Wahrheit – der Schwindel im Kleingedruckten auf dem Etikett. Der Profi schaut direkt auf den Flaschenhals, denn ab 9,99 Euro erwarte ich eine Banderole, auf der so etwas steht wie «Appellatione controlada fantasia reservada para ignorantes ale-manes». Was so viel heißt wie: Wenn ihr Bürokraten in Deutschland wüsstet, wie viel Spaß wir in unserem Anbaugebiet haben!
Das ist doch auch wieder typisch deutsch, dass wir so sehr auf Kontrolle achten bei einem Produkt, das maßgeblich dazu gekauft wird, die Kontrolle wieder zu verlieren. Was die Kenner beim Geschmack alles unterscheiden wollen, so diffizile Dinge wie «Rückgeruch» oder «Länge». Ehrlich, ich bin froh, wenn ich am nächsten Morgen «Vorgeruch» und «Breite» unterscheiden kann.
Aber bis dahin ist es mitunter ein weiter Weg, und für die langen Abende, an denen sich die Zeit zwischen den Gängen dehnt wie im Zahnarztwartezimmer, verrate ich Ihnen heute ausnahmsweise fünf Regeln, wie Sie sich gekonnt durchbluffen können.
Die wichtigste Regel: Wer fragt, führt. Treffen Sie also beim Trinken mit einem Kenner niemals eine Aussage, sondern bauen Sie statt-dessen immer eine Gegenfrage mit ein. Wenn Sie nur einmal etwas Unqualifiziertes sagen wie: «Boah, der ist ja voll rot.» FALSCH! Der Abend ist unrettbar verloren. Richtig dagegen: «Ich erahne in dieser Farbnuance bereits Anklänge von Johannisbeeraromen auf einer erdigen Lichtung im Spätsommerregen. Sie nicht auch?» Da kommt jedes Gegenüber ganz schön ins Schwitzen.
Nach der Kommentierung von Farbe und Geruch kommt der erste ernsthafte Trinkversuch, aber nur ein winziger Schluck. Ihr Kommentar: «Was die Sonne in den letzten Tagen dieser Traube noch mitgegeben hat!» Diesen Satz sollten Sie üben und in allen Lagen drauf haben. Er klingt phantastisch und passt immer. Egal, was Sie trinken, ob weiß oder rot! Notfalls auch zu Prosecco oder Schampus.
Nach dem Aussprechen entscheidend: der Blick ins Leere! Machen Sie eine bedeutungsvolle Pause und zählen Sie innerlich bis dreißig. Sie dürfen auf keinen Fall etwas sagen, aber auch gar nichts! Mit jeder Sekunde, die Sie die Spannung halten, sinkt Ihr Gegenüber tiefer in seinen Stuhl und denkt: «Verdammt, der hat noch Empfindungen, ich spür schon lange nichts mehr.» Gewonnen! Noch ein Kommentar zum Abgang, und nichts kann Sie mehr von der Siegerstraße abbringen: «Wahrlich, dieses Eichenfass schmeichelt dem hinteren Gaumen. » Zu hoch gepokert? Ihr Gegenüber hat tatsächlich Ahnung und weiß, dass das Zeug nie ein Eichenfass von innen gesehen hat? Kein Problem. Werden Sie großzügig, schenken Sie nach und machen Sie sich ein; weitere Facette von alkoholischen Getränken zunutze, die retrograde Amnesie. Auf gut Deutsch: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gegenüber am nächsten Morgen gar nicht mehr weiß, mit wem und worüber gesprochen wurde. Und dann, wenn es Ihnen genehm ist – machen Sie einen harmonischen Abgang.

Bleibt noch die Frage: Wie viel soll man denn wirklich trinken? Die unschädliche Dosis ist schnell erreicht, das klassische Achtel für die Damen, das Viertel für die Herren. Eleganter formuliert der Chinese: «Hör auf zu trinken, bevor du glaubst, die anderen wollen dich singen hören.» Oder etwas medizinischer: Bedenken Sie bei allem, was Sie trinken: Die Leber wächst mit ihren Aufgaben.

……….

Mit freundlicher Erlaubnis vom 11.05.2009
siehe auch www.hirschhausen.com
Dr. med. Eckart von Hirschhausen
Die Leber wächst mit ihren Aufgaben
rororo-Verlag ISBN 978-3-499-62355-4

wein-die-leber-waechst-mit-ihren-aufgaben

Themen 04.05. bis 27.07.2009

Wir treffen uns jeden Montag um 19:00 Uhr im Haus des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Fehrbelliner Straße 139 in Neuruppin.

Kontakt- und Informationsgespräche bei Bedarf und auf Wunsch auch schon ab 18:00 Uhr.
Gäste sind herzlich willkommen

Datum THEMA Ort (Verantwortlich)

Mai
04.05. Alternativen zur SHG, NIT
11.05. Entwicklungsstand EXIT, LECK
18.05. Reiseberichte, LAP (Thema verschoben, alternativ: Konzept Flyer – Diskussion)
25.05. Inventur, GKO

Juni
01.06. Pfingstmontag / Haus geschlossen
08.06. Vortrag zum Thema „Paritätischer Wohlfahrtsverband“ Frau Kluth / alternativ: Buchlesung, WAL
15.06. Suchtwoche Thema: Bewältigungsstrategien, offenes Haus + alle Gruppen+Gäste, KOC ab 18.00 Uhr
20.06. Fachvortrag Dr. Lindenmeyer, 10.30 Uhr bis ca. 14.00 Uhr,  “ Sucht und soziales Netz“, Anschließend Diskussion zum Thema
22.06. Besuch einer Ausstellung, alle
29.06. Stationen, SCH

Juli
06.07. Sommerfest, alle
13.07. soziale Kontakte, MIL
20.07. Krankenkassenreform, RYB
27.07. Hobbyausstellung, alle


In Planung

– Bewährungshilfe / Vortrag und Kommunikation / Frau Boers

Veröffentlicht unter archiv